Ingenieurbüro für Technische Dokumentation
Dr.-Ing. André Cajar

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Gebrauchsanleitungen im Wandel der Zeit

Vorbemerkungen

Der optische Eindruck von technischen Beschreibungen unterliegt einem Wandel – früher langsamer, heute schneller.

Nachvollziehbare technische Beschreibungen sind uns (größten Teils) erst seit der Renaissance (grob von 1420 bis 1600) bekannt.

Während anfangs auch für solche Beschreibungen das Lateinische (die Sprache der Gelehrten) vorherrschte, wurden solche Texte zunehmend in Deutsch (bzw. der jeweiligen Landessprache) verfasst. Allerdings wandelte sich auch der Gebrauch von Wörtern, Schreibweisen und Ausdrucksformen.

Auch die verwendeten Schriftarten spiegelten den jeweils herrschenden Zeitgeist wider. Fraktur war von Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts die meistbenutzte Druckschrift im deutschsprachigen Raum. Anfangs parallel verwendet, hat sich Antiqua wegen seinem klarerem Druckbild und besseren Lesbarkeit durchgesetzt.

Für lange Texte (z. B. Zeitungen, Romane) werden heutzutage Serifen-Schriften (z. B.TimesNewRoman), für kurze, knappe Texte (z. B. Handlungsanleitungen) meist serifenlose-Schriften (z.B. Arial) verwendet.

Auch die Zielstellung technischer Beschreibungen änderte sich.

In der Renaissance dienten komplizierte technische Apparaturen meist keinem praktischen Zweck. Oft aus edlen Materialien gefertigt und mit kostbarem Zierrat versehen, dienten sie in erster Linie zur Selbstdarstellung des Adels als Förderer der Wissenschaft als besondere Tugend, weniger zur Präsentation neuer Erkenntnisse durch Anwendung wissenschaftlicher Apparate.

Erst mit zunehmendem praktischen Nutzen für Industrie und Handwerk benötigten die Anwender von Maschinen und Geräten Texte zur Erläuterung von deren Funktion, Bedienung und Reparatur.

Anhand von Beispielen soll dies im Folgenden gezeigt werden.

  1. Die Dresdener Handschrift für den mechanischen Himmelsglobus von Georg Roll und Johannes Reinhold aus Augsburg von 1586
  2. Beschreibung einer Rotationspresse für lithografischen Schön- und Widerdruck; Erschienen in Dr. Eders Jahrbuch der Photographie; 1911
  3. Bedienanweisung „Elektrik“ einer Zahnrad-Wälzstoßmaschine der VEB Zahnschneidemaschinenfabrik Modul Karl-Marx-Stadt aus den 60-er Jahren
  4. Bedienungsanleitung Gemüseschneider TED FEUMA

Quellen:

  • Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Mathematisch-Physikalischer Salon, Zwinger, 01067 Dresden
  • https://mathematisch-physikalischer-salon.skd.museum/ausstellungen/dauerausstellung/
  • Wolfram Dolz, Die Dresdner Handschrift für den mechanischen Himmelsglobus von Georg Roll und Johannes Reinhold aus Augsburg von 1586. Der Globusfreund 66/2022.
  • Josef Maria Eders „Jahrbuch für Photographie und Reproductionstechnik“; 1911
  • VEB Zahnschneidemaschinenfabrik Modul Karl-Marx-Stadt
  • FEUMA Gastromaschinen GmbH

Die Dresdener Handschrift für den mechanischen Himmelsglobus von Georg Roll und Johannes Reinhold aus Augsburg von 1586

Im Jahre 1586 erwarb Kurfürst Christian I. von Sachsen (regierte von 1586 bis 1591) in Augsburg einen mechanischen Himmelsglobus von Georg Roll (um 1546 bis 1592) und Johannes Reinhold (um 1550 bis 1596) mit dazugehöriger Beschreibung.

Mechanischer Himmelsglobus

Mechanischer Himmelsglobus von Georg Roll und Johannes Reinhold; Augsburg 1586, Mathematisch-Physikalischer Salon; Dresden; Inv.-Nr. E II 2

Beschreibung des Himmelsglobus (S. 18)

Beschreibung des Himmelsglobus (S. 18)

Kurtze beschreibung des himlischen krayses oder globi coelestis, was für hohe künst- und besondern trefflichen nutz es in sich helt.
Es verwundern sich ihr vil und nicht unbillich über der grossen gnade Gottes, welcher der menschen vernunft und ingenium mit so hohen gaben überschüttet und geziehret hat, daß er auch bey einem punct des gantzen himmels wesen höhe, lauf und eigenschaft ausgründen, ermessen und durch gewise instrumenta zeigen kan, wie groß ein jedweder stern und wirum er von einem andern stehe. Aber vielmer ist zu verwundern, das der

Umschrift der Beschreibung (S. 18)

Die folgenden Textauszüge sind mit freundlicher Genehmigung entnommen: Wolfram Dolz „Die Dresdener Handschrift für den mechanischen Himmelsglobus von Georg Roll und Johannes Reinhold aus Augsburg von 1586“ Sonderausgabe von „Der Globusfreund“ 66/2022.

Der Globusfreund

9. Zum neundten. Under dem polo antartico, da man die 3 werkh aufzeucht, darvon im anfang meldung gethan, sein zwey zeigerlin und ein kleine eiserne scheyben. Das erste zeygerlin gehert zu dem ruckenden gang, wann das werckh zu lang-…

Der Globusfreund

… sam oder zu früe gehet, mans hinder oder für sich rucken kann. Alsdann gehet alles wider richtig vort. Das ander zeygerlin gehöret zu dem schlagwerckh, damit man solches auslassen und zu der stunden richten kann. Die eyscrn scheyben mit dem löchlin ist auf den calender gerichtet, das man in besonders mit dem schlüssel reiben kann. Wann aber dieser globus einmal recht gerichtet wirt und alle drey werckh, wie oben verzeichnet, aufgezogen seint, alsdann geht ein jedes mit seinen zeigern in seinem gang richtig herumb, welches auch wol zu mercken.

Erläuterung [fol. 14v-15r / fol. 22v-23r]:

IX. | Zum Neunten findet man unter dem Südpol sowohl die Aufzugsvorrichtung für die drei Federwerke als auch zwei kleine Zeiger und eine eiserne Scheibe. Der erste Zeiger bewirkt, dass, falls das Gehwerk sich langsamer oder schneller bewegt, man es gemäß diesem Fehler vor- oder zurückdreht. Der andere Zeiger dient zur Regulierung des Stundenschlagwerks. Die eiserne Scheibe wird zur Ausrichtung des Kalenders benötigt, was mit einem kleinen Schlüssel erfolgt. Ist einmal der Globus regelkonform justiert und die drei oben erwähnten Werke aufgezogen, dann wird alles richtig angezeigt.

Aufzugsvorrichtung für die drei Federwerke

Aufzugsvorrichtung für die drei Federwerke


Beschreibung einer Rotationspresse für lithografischen Schön- und Widerdruck

1887 erschien erstmals Josef Maria Eders „Jahrbuch für Photographie und Reproductionstechnik“, worin er alle technischen Entwicklungen der Fotografie aufzeichnete.

In der Folgezeit bekam Eder viele Informationen über wesentliche technische Neuerungen auf diesen Gebieten zur Veröffentlichung in weiteren Jahrbüchern zugesandt.

Im Jahrgang 1911 findet sich eine Beschreibung einer Rotationspresse für lithografischen Schön- und Widerdruck.

Dr. Eders Jahrbuch der Photographie 1911 S. 577

Dr. Eders Jahrbuch der Photographie 1911 S. 577

Dr. Eders Jahrbuch der Photographie 1911 S. 578

Dr. Eders Jahrbuch der Photographie 1911 S. 578

Obwohl an sich technisch korrekt ist diese Art der Beschreibung bestimmt nicht für eine schnelle Erfassung der funktionalen Zusammenhänge geeignet.

Bedienanweisung „Elektrik“ einer Zahnrad-Wälzstoßmaschine der VEB Zahnschneide-maschinenfabrik Modul Karl-Marx-Stadt

Zugehörig zu einer in den 60-er Jahren gebauten Zahnrad-Wälzstoßmaschine werden u.a. die Handlungsschritte beim „Einrichten“ beschrieben:

Beschreibung des Einrichtens

Beschreibung des Einrichtens

Lage der Bedienelemente; u.a. vom Wahlschalter WS 1

Lage der Bedienelemente; u.a. vom Wahlschalter WS 1

Im Vergleich zur technischen Beschreibung aus 1911 ist hier keine deutliche Verbesserung im Sinne einer schnellen Erfassbarkeit von Bedeutung und Wirkungsweise bei nötigen Bedienhandlungen und resultierenden Maschinenabläufen gegeben.

(Ich danke der SerWeMa GmbH & Co. KG für die Genehmigung zur Veröffentlichung.)

FEUMA Bedienungsanleitung Gemüseschneider TED FEUMA

Obwohl Maschinen immer komplexer und komplizierter werden, müssen (aus verschiedenen Gründen) die nötigen Bedienungsanleitungen immer einfacher verfasst werden.

Ziel heutiger Bedienungsanleitungen ist eine übersichtliche und verständliche Beschreibung von Bedienhandlungen und technischen Beschreibungen zur sicheren Nutzung einer Maschine in all ihren Lebensphasen (u.a. Bedienung und Wartung).

Beschreibung des Einschaltens vom Gemüseschneider

Beschreibung des Einrastens und Wartungshinweis vom Gemüseschneider

Beschreibung des Einschaltens vom Gemüseschneider

Beschreibung des Einschaltens vom Gemüseschneider

Diese übersichtliche und verständliche Beschreibung erfordert:

  • die Berücksichtigung psychologischer Prinzipien der Wissensvermittlung
  • eine optische Trennung von allgemeinen Beschreibungen und Bedienhandlungen
  • eine übersichtliche Benennung von Maschinenkomponenten direkt in der Abbildung
  • freigestellte Fotos oder 3D-Zeichnungen zur Illustration

(Ich danke der FEUMA Gastromaschinen GmbH für die Genehmigung zur Veröffentlichung.)